Papier: 2.1.3 Risiken interaktiverMedien
Originalversion
| 1 | (Einfügen von Unterüberschriften bis 16. März 2011 durch |
| 2 | PG-Mitglieder.) |
| 3 | |
| 4 | Risiken im Umgang mit interaktiven Medien gibt es in |
| 5 | zweierlei Hinsicht: Zum einen werden Benutzerinnen und |
| 6 | Benutzer von externen Quellen mit Risiken, kriminellen |
| 7 | Handlungen oder Störfaktoren konfrontiert. Zum anderen |
| 8 | können aber auch fehlende eigene Kompetenzen und Fähigkeiten |
| 9 | Negatives für die persönliche Entwicklung oder im Umgang mit |
| 10 | anderen hervorrufen. Folgen können in beiden Bereichen |
| 11 | sozialer, persönlicher, rechtlicher, finanzieller oder |
| 12 | technischer Art und Weise sein. |
| 13 | |
| 14 | Wichtig ist die Feststellung, dass problematische Inhalte |
| 15 | oder illegale/kriminelle Handlungen in bzw. durch die |
| 16 | interaktiven Medien nicht durch das Medium selbst erschaffen |
| 17 | werden, sondern in jedem Fall Konsequenz und Folge aus |
| 18 | menschlichem Handeln sind. |
| 19 | |
| 20 | Exemplarisch seien an dieser Stelle für beide Bereiche |
| 21 | einige mögliche Formen von Risiken genannt: |
| 22 | |
| 23 | Im Bereich der Risiken interaktiver Medien sind Schlagwörter |
| 24 | wie Cyber-Mobbing, Grooming oder Gefahren durch die |
| 25 | Preisgabe von persönlichen Daten in der aktuellen Debatte |
| 26 | vor allem im Hinblick auf Kinder und Jugendliche in aller |
| 27 | Munde. Sowie bei den meisten der im Folgenden zu benennenden |
| 28 | Risiken ist Mobbing kein grundsätzlich neues Phänomen der |
| 29 | digitalen Gesellschaft, sondern findet im Internet – ähnlich |
| 30 | wie via Mobiltelefon – lediglich eine neue Art der |
| 31 | Ausbreitung. |
| 32 | |
| 33 | Vor allem in Sozialen Netzwerken oder Foren leiden |
| 34 | Betroffene unter Umständen unter übler Nachrede, |
| 35 | Diffamierung, Belästigung oder Nötigung durch |
| 36 | Mitschülerinnen und Mitschüler oder Bekannte – die sich |
| 37 | durch die Benutzung von falschen Namen oder Avataren nicht |
| 38 | zu erkennen geben müssen. Im Falle von Grooming handelt es |
| 39 | sich um die gezielte sexuelle Belästigung von Kindern und |
| 40 | Jugendlichen via Internet. Nach aktuellen Studien [u.a. |
| 41 | Bitkom-Studie; in KIM 2010; EU-Kids Online] kommt dies in |
| 42 | der Praxis allerdings eher selten vor und steht in keinem |
| 43 | Verhältnis zu der öffentlichen Wahrnehmung dieses Themas. |
| 44 | |
| 45 | Sexuelle Belästigung geht oft auch von gleichaltrigen |
| 46 | Jugendlichen aus. Neben der persönlichen Wachsamkeit und |
| 47 | einem gesunden Misstrauen Unbekannten gegenüber, kann auch |
| 48 | der sparsame Umgang mit persönlichen Informationen solchen |
| 49 | Belästigungen vorbeugen. Grundsätzlich scheint es ratsam, |
| 50 | sparsam mit der Preisgabe von eigenen Daten umzugehen und |
| 51 | vor jeder Veröffentlichung von privaten Informationen den |
| 52 | daraus entstehenden Nutzen und die möglichen Konsequenzen |
| 53 | abzuwägen. Auch wenn der Wert und die Notwendigkeit von |
| 54 | Privatsphäre aktuell an Bedeutung zu verlieren scheinen, |
| 55 | wäre trotzdem ein bewussterer Umgang damit wünschenswert. |
| 56 | |
| 57 | Ähnlich wie in anderen Medien kann es auch im Internet |
| 58 | vorkommen, dass Kinder und Jugendliche ungewollt mit nicht |
| 59 | altersgerechten Inhalten konfrontiert werden, u.a. mit |
| 60 | Darstellungen von Gewalt, Krieg oder Pornographie. |
| 61 | |
| 62 | Unter wirtschaftlichem Aspekt sind Abo- und Kostenfallen zu |
| 63 | nennen, denen nicht nur Kinder und Jugendliche zum Opfer |
| 64 | fallen, sondern alle Altersgruppen. Auch werden immer wieder |
| 65 | Fälle bekannt, in denen Kinder und Jugendliche unbewusst |
| 66 | Anbieter von urheberrechtlich geschützten Werken in |
| 67 | Tauschbörsen werden. |
| 68 | |
| 69 | Konkret beschreibbar sind die Gefahren, die durch |
| 70 | Computerviren und -würmer sowie Trojaner ausgelöst werden. |
| 71 | Allen gemeinsam ist, dass ein Angreifer versucht, in die |
| 72 | Computer seiner Opfer eine Software einzuschleusen. |
| 73 | Computerviren und -würmer versuchen, sich über die |
| 74 | kompromittierten Computer selbst weiter zu verbreiten. Viren |
| 75 | verändern dabei in der Regel fremde Dateien (Startprogramme, |
| 76 | Bootsektoren usw.), während Würmer normalerweise keine |
| 77 | fremden Dateien manipulieren. Trojanische Pferde, kurz |
| 78 | Trojaner, sind Computerprogramme, die sich als mehr oder |
| 79 | minder nützliche Anwendung tarnen, im Hintergrund und ohne |
| 80 | Wissen des Anwenders aber andere Funktionen erfüllen. |
| 81 | |
| 82 | Heutzutage ist der Hauptzweck von Viren, Würmern und |
| 83 | Trojanern vor allem der Aufbau so genannter Botnetze. Dabei |
| 84 | stellen oftmals tausende bis Millionen Rechner im Internet |
| 85 | ihre Kapazitäten (Rechenleistung, Netzwerkanbindung usw.) |
| 86 | dem kontrollierenden Angreifer zur Verfügung. |
| 87 | Sicherheitsdienstleister schätzen, dass einige Botnetze bis |
| 88 | zu 30 Millionen Rechner kontrollieren. |
| 89 | [http://de.wikipedia.org/wiki/Botnet] Sie werden meistens |
| 90 | zum Versenden von Spam-Mails, für Angriffe auf Server oder |
| 91 | zum Knacken von Passwörtern genutzt. Der Inhaber des |
| 92 | betroffenen Computers bemerkt die Infizierung meistens |
| 93 | nicht, versendet sie aber. |
| 94 | |
| 95 | So genannte Spyware ist eine Software, die zum Ziel hat, den |
| 96 | Nutzer auszuspionieren, seine Angewohnheiten auszuforschen |
| 97 | und ihm so gezielt Werbung und ähnliches zu präsentieren. |
| 98 | Häufiger anzutreffen ist heutzutage „Scareware“. Darunter |
| 99 | versteht man Software, die dem Benutzer verunsichern und |
| 100 | ängstigen soll, ihn beispielsweise vor einer erfundenen |
| 101 | Infizierung seines Computers mit einem Virus warnt und gegen |
| 102 | Bezahlung eine Entfernung des vermeintlichen Schädlings |
| 103 | anbietet. Hier wird also vor allem der Nutzer selbst |
| 104 | geschädigt, während bei Viren, Würmern und Trojanern vor |
| 105 | allem andere geschädigt werden. |
| 106 | |
| 107 | Die meisten der Infizierungen ließen sich durch eine höhere |
| 108 | Medienkompetenz der Nutzer verhindern oder zumindest |
| 109 | nachträglich aufspüren. Dazu gehört nicht nur eine sichere |
| 110 | Konfiguration der Computer, sondern auch ein bewusstes |
| 111 | Umgehen mit Gefahren und das rechtzeitige Schließen von |
| 112 | Sicherheitslücken. |
| 113 | |
| 114 | Eine verwandte Gefahr ist das so genannte Phishing (von |
| 115 | Password Fishing), also das Angeln nach Passwörtern mit |
| 116 | Ködern. Dabei versuchen Angreifer, von Anwendern Passwörter, |
| 117 | Kreditkartennummern oder PINs und TANs für das Homebanking |
| 118 | zu ergaunern. Dazu werden beispielsweise Webseiten von |
| 119 | Banken weitgehend originalgetreu nachgebildet und der Nutzer |
| 120 | aufgefordert, PIN und TAN einzugeben. Stattdessen nutzt der |
| 121 | Betrüger die erbeuteten Daten, um selbst Überweisungen zu |
| 122 | tätigen und das Opfer zu betrügen. In der Zwischenzeit |
| 123 | laufen entsprechende Angriffe oft auch mit Unterstützung von |
| 124 | Trojanern ab, so dass entsprechende Daten bei der Eingabe |
| 125 | auf infizierten Computern abgefangen werden. |
| 126 | |
| 127 | Auch hier lässt sich die Gefahr durch Medienkompetenz |
| 128 | weitgehend eindämmen:Medienkompetente Nutzer erkennen |
| 129 | Phishing-Mails, in denen sie zur Eingabe ihres Passwortes |
| 130 | oder von PIN/TAN vom Online-Banking aufgerufen werden. |
| 131 | Medienkompetente Nutzer erkennen auch, wenn eine fremde |
| 132 | Webseite sich als Webseite einer Bank oder als betrügerische |
| 133 | Abzockwebsite ausgibt. |
| 134 | |
| 135 | Auswirkungen fehlender Medienkompetenz |
| 136 | |
| 137 | |
| 138 | Risiken werden aber nicht nur extern an die Nutzerinnen und |
| 139 | Nutzer herangetragen, auch deren eigener Umgang mit dem |
| 140 | Internet bzw. dessen Inhalten kann problematische |
| 141 | Auswirkungen haben: |
| 142 | |
| 143 | Fehlende Medienkompetenz tritt in vielen Bereichen zu Tage, |
| 144 | u.a. in der mangelhaften und unkritischen Bewertung von |
| 145 | Medieninhalten. Problematisch scheint zudem vor allem bei |
| 146 | Kindern zu sein, dass diese oftmals nicht zwischen |
| 147 | eingeblendeter Werbung und redaktionellen Inhalten |
| 148 | unterscheiden können. Die pure Menge an abrufbaren |
| 149 | Informationen führt nicht automatisch dazu, dass jeder in |
| 150 | der Lage ist, sich ein umfassendes Meinungsbild zu machen. |
| 151 | Es kann vielmehr dazu führen, dass es zu einer Überforderung |
| 152 | aufgrund der Fülle an Informationen und Kommunikationswegen |
| 153 | und damit zu einer reduzierten und einseitigen |
| 154 | Informationsaufnahme kommen kann. |
| 155 | |
| 156 | Unkritisch ist bisweilen auch der Umgang mit den Rechten |
| 157 | anderer: So führen fehlendes Wissen und fehlende Kompetenz |
| 158 | immer wieder zu Verstößen gegen das Urheberrecht, den |
| 159 | Datenschutz oder die Persönlichkeitsrechte anderer. Gerade |
| 160 | in Bezug auf die Verletzung von Persönlichkeitsrechten geht |
| 161 | mangelnde Medienkompetenz immer auch einher mit mangelnder |
| 162 | sozialer Kompetenz. |
| 163 | |
| 164 | Ein weiterer kritischer Aspekt ist die Dauer der |
| 165 | Mediennutzung. Fehlende Medienkompetenz kann hierbei den |
| 166 | Verlust des Bezuges zur „realen“ Welt und das sich |
| 167 | vorwiegend in der virtuellen Umgebung Bewegen durchaus |
| 168 | verstärken. Neben dem möglichen Verlust von sozialen |
| 169 | Kontakten und Bindungen - mit all den Facetten |
| 170 | zwischenmenschlicher Kontakte (Mimik, Gestik, körperliche |
| 171 | Erfahrungen) - kann exzessive Mediennutzung auch zu |
| 172 | physischen sowie psychischen Einschränkungen führen. |
| 173 | |
| 174 | Fehlende Medienkompetenz kann sich aber auch ganz konkret |
| 175 | auf gesellschaftliche Teilhabe, Bildung und sozialen |
| 176 | Aufstieg auswirken. So bietet das Internet in vielfacher |
| 177 | Weise die Möglichkeit, gesellschaftliche Debatten zu |
| 178 | verfolgen und sich selbst einzubringen. Des Weiteren ist |
| 179 | Medienkompetenz mittlerweile eine unverzichtbare Fähigkeit, |
| 180 | die für den Erfolg in Schule, Ausbildung und Beruf wichtig |
| 181 | ist. |
| 182 | |
| 183 | Medienkompetenz kann viele dieser Risiken minimieren, |
| 184 | teilweise sogar vollständig vermeiden. Insofern wird es ein |
| 185 | zentrales Anliegen der Kommission sein, Ideen zu entwickeln, |
| 186 | um die Vermittlung von Medienkompetenz an alle |
| 187 | gesellschaftlichen |
| 188 | |
| 189 | Zielgruppen zu optimieren. Es zeigt sich aber auch, dass |
| 190 | angesichts der erwähnten Risiken Medienkompetenz nicht alle |
| 191 | Probleme lösen kann und es einer engen Verzahnung mit dem |
| 192 | Jugend- und dem Verbraucherschutz bedarf. |
| 193 | |
| 194 | Medienkompetenz schafft digitale Selbständigkeit. Diese ist |
| 195 | in einer modernen Wissens- und Informationsgesellschaft für |
| 196 | demokratische Teilhabe, wirtschaftliche Chancengerechtigkeit |
| 197 | und freie Entfaltung der Persönlichkeit von grundlegender |
| 198 | Notwendigkeit. Fehlt diese, wird es dem Individuum nicht |
| 199 | gelingen, Medien und deren Inhalte den eigenen Bedürfnissen |
| 200 | und Zielen entsprechend zu nutzen. |
| 201 | |
| 202 | 1.3.1 Mediensucht und Prävention |
| 203 | |
| 204 | |
| 205 | (Ergänzung des folgenden Abschnitts um die Ergebnisse einer |
| 206 | aktuellen Studie des Hans-Bredow-Institutes bis 16. März |
| 207 | 2011 durch PG-Mitglieder.) |
| 208 | |
| 209 | Dass interaktive Medien den Menschen so viele Chancen und so |
| 210 | viel Abwechslung bieten, bleibt nicht ohne Risiken – |
| 211 | beispielsweise dann, wenn Medien zum Suchtmittel werden. So |
| 212 | gelten laut einer Studie der Medizinischen Hochschule |
| 213 | Hannover von 2006 etwa sechs Prozent aller deutschen |
| 214 | Internetnutzer als onlinesüchtig und noch einmal so viele |
| 215 | als stark suchtgefährdet. [1] |
| 216 | |
| 217 | Auch internationale Untersuchungen zeigen, dass die |
| 218 | Prävalenzrate, also der Anteil jener, die einem |
| 219 | Suchtverhalten zuzuordnen sind, zwischen einem und maximal |
| 220 | fünf Prozent liegt. Je nach Studie verbringen die als |
| 221 | abhängig beschriebenen Personen bis zu 40 Stunden je Woche |
| 222 | im Internet. Nichtsüchtige kommen wöchentlich auf maximal 20 |
| 223 | Stunden. [2] |
| 224 | |
| 225 | Die Auslöser, Mechanismen und Symptome der Mediensucht |
| 226 | gleichen denen anderer nicht stoffgebundener |
| 227 | Suchterkrankungen: Durch den Konsum bestimmter |
| 228 | Medienangebote wird das körpereigene Belohnungssystem in |
| 229 | Gang gesetzt. Der damit einhergehende Dopaminausstoß führt |
| 230 | zu einem gefühlten Erfolgserlebnis, auf das manche nicht |
| 231 | mehr verzichten können. Zu den typischen |
| 232 | Abhängigkeitssymptomen zählen ein unkontrollierter, |
| 233 | stundenlanger Konsum, die stetige Erhöhung der „Dosis“, eine |
| 234 | ständige gedankliche Beschäftigung mit dem Suchtverhalten, |
| 235 | misslingende Reduzierungsversuche sowie Entzugserscheinungen |
| 236 | beispielsweise in Form von Aggressivität, wenn das |
| 237 | Suchtmittel nicht zur Verfügung steht. |
| 238 | |
| 239 | Die negativen Folgen der Mediensucht sind – wie bei anderen |
| 240 | Abhängigkeitserkrankungen auch – nicht nur psychischer |
| 241 | Natur, sondern erstrecken sich ebenso auf die körperliche |
| 242 | Gesundheit und das soziale Umfeld der Betroffenen. Es kommt |
| 243 | oftmals zu einer Vernachlässigung der eigenen Bedürfnisse, |
| 244 | der beruflichen bzw. schulischen Verpflichtungen und |
| 245 | sozialen Kontakte. Die Betroffenen verheimlichen oder |
| 246 | bagatellisieren das eigene Suchtverhalten. Mitunter geraten |
| 247 | sie sogar in finanzielle Verschuldung. |
| 248 | |
| 249 | In der Gesellschaft und der Wissenschaft wird |
| 250 | Medienabhängigkeit bislang nur unzureichend thematisiert. |
| 251 | Sie ist selten Gegenstand empirischer Forschung. Es fehlt |
| 252 | nach wie vor an belastbarem Datenmaterial. Eine für das |
| 253 | Bundesministerium für Gesundheit im Zeitraum von 2008 bis |
| 254 | 2010 angefertigte Untersuchung stellt dazu fest: Es wäre |
| 255 | „insbesondere eine interdisziplinäre Längsschnittstudie |
| 256 | wünschenswert, die mit neurobiologischen, genetischen und |
| 257 | entwicklungspsychiatrischen Methoden Kinder vor Beginn des |
| 258 | pathologischen Internetgebrauchs bis in das Erwachsenenalter |
| 259 | hinein untersuchen würde.“ [3] |
| 260 | |
| 261 | Weiterer Handlungsbedarf besteht in der Hinsicht, dass |
| 262 | Medienabhängigkeit bisher nicht als eigenständige Suchtform |
| 263 | anerkannt ist. Die Kommission betrachtet Medienabhängigkeit |
| 264 | als eine eigenständige, nicht stoffgebundene Suchtform und |
| 265 | hält eine Anerkennung als Erkrankung nach dem |
| 266 | Diagnoseschlüssel ICD der Weltgesundheitsorganisation für |
| 267 | geboten. Darüber hinaus sieht die Kommission die |
| 268 | Notwendigkeit einer umfassenden Erforschung des |
| 269 | Krankheitsbildes. |
| 270 | |
| 271 | In der Bundesrepublik gibt es derzeit nur ein sehr |
| 272 | begrenztes Angebot an Beratungs- und Therapiemöglichkeiten |
| 273 | für Betroffene. Die erfolgversprechendste |
| 274 | Präventionsmaßnahme hingegen ist, Kinder und Jugendliche in |
| 275 | ihrem Umgang mit Medien zu begleiten. Hier sind in erster |
| 276 | Linie die Familien gefragt. Wenn vor allem Eltern jedoch |
| 277 | keine oder nur begrenzte medienpädagogische Fähigkeiten |
| 278 | aufweisen, müssen sie auf geeignete Beratungsmöglichkeiten |
| 279 | zurückgreifen können. Zusätzlich muss gewährleistet sein, |
| 280 | dass in Schule, Ausbildung und Freizeit ausreichend |
| 281 | qualifizierte medienpädagogische Angebote zur Verfügung |
| 282 | stehen. |
| 283 | |
| 284 | [1] vgl.: Bert te Wildt 2006, Medizinische Hochschule |
| 285 | Hannover – Bitte Quellenangabe durch |
| 286 | das Büro MdB Tabea Rößner. |
| 287 | |
| 288 | [2] Bitte Quellenangabe durch das Büro MdB Dr. Petra Sitte. |
| 289 | |
| 290 | [3] Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf/Deutsches Zentrum |
| 291 | für Suchtfragen des |
| 292 | Kindes- und Jugendalters: Studie für das BMG zum Projekt |
| 293 | Beratungs- und |
| 294 | Behandlungsangebote zum pathologischen Internetgebrauch in |
| 295 | Deutschland, S. 5. |
| 296 | |
| 297 | 1.3.2 Strukturelle Defizite |
| 298 | |
| 299 | |
| 300 | Die Studie der Initiative D21 „Digitale Gesellschaft" aus |
| 301 | dem Jahr 2010 [4]zeigt deutlich, dass die digitale Spaltung |
| 302 | der Gesellschaft eher qualitativ als quantitativ zunimmt. |
| 303 | Der Anteil internetferner Menschen wird zwar kleiner, |
| 304 | gleichzeitig werden aber auch die Kompetenzen dieser |
| 305 | digitalen Außenseiter geringer. Vor allem aber zeigt die |
| 306 | Studie, dass die digitale Spaltung eine soziale Spaltung |
| 307 | ist: die Außenseiter finden sich vorwiegend in armen |
| 308 | Haushalten. Eine Förderung von Medienkompetenz muss deshalb |
| 309 | einhergehen mit der Förderung einer flächendeckenden |
| 310 | Internetanbindung ohne Ansehen der wirtschaftlichen |
| 311 | Situation der Nutzer. Dies gilt für Netze wie für netzfähige |
| 312 | Geräte gleichermaßen. |
| 313 | |
| 314 | Der Sachverständige Hannes Schwaderer betonte in der |
| 315 | Expertenanhörung der Enquete-Kommission zur Medienkompetenz |
| 316 | am 13. Dezember 2010, dass Bildungschancen nicht vom |
| 317 | sozialen Milieu oder der Familiensituation abhängig sein |
| 318 | dürfen. Da Intelligenz über alle soziale Schichten |
| 319 | gleichermaßen verteilt sei, gelte es daher besonders, die |
| 320 | Bedürfnisse von Kindern sozial schwächerer Herkunft zu |
| 321 | beleuchten. Ein Zugang zu digitalen Lernwerkzeugen müsse |
| 322 | über die Schule erfolgen und dürfe nicht nur der häuslichen |
| 323 | Ausstattung obliegen. |
| 324 | |
| 325 | Es gibt darüber hinaus auch Positionen, die die Gründe für |
| 326 | die digitale Spaltung weniger in den Zugangsmöglichkeiten |
| 327 | zum Internet bzw. der Infrastruktur sehen, dafür aber |
| 328 | verstärkt in der Art und Weise der Nutzung. Hier zeigen sich |
| 329 | Unterschiede vor allem regional, geschlechtsspezifisch, |
| 330 | altersbedingt, ökonomisch und bildungsgradabhängig. So sind |
| 331 | bildungsferne Nutzer beispielsweise eher konsumorientiert. |
| 332 | Sie nutzen die Chancen und Potentiale der Teilhabe und der |
| 333 | Information kaum. |
| 334 | |
| 335 | Weitgehende Einigkeit indes besteht darüber, das Radio und |
| 336 | Fernsehen kein Ersatz für einen |
| 337 | Internetzugang sind. Nicht nur fehlen den traditionellen |
| 338 | Medien die partizipativen Möglichkeiten von |
| 339 | Online-Angeboten. Auch im Bereich der |
| 340 | Informationsbereitstellung ist das Internet unverzichtbar |
| 341 | geworden. Dies zeigt sich nicht zuletzt auch an der |
| 342 | sinkenden Zahl von Wortbeiträgen im Radioprogramm oder durch |
| 343 | den Verweis auf zusätzliche Informationen im Internet |
| 344 | während der Fernsehnachrichten. |
| 345 | |
| 346 | [4] Quellenangabe/Studie (offen) |
| 347 | |
| 348 | Die Kommission wird zu klären versuchen, auf welche Weise |
| 349 | die bestehende digitale Spaltung am ehesten zu überwinden |
| 350 | ist. Folgende Punkte werden als mögliche Ansätze betrachtet: |
| 351 | |
| 352 | - bessere Geräteausstattung an Schulen, Ausbildungs- und |
| 353 | Jugendeinrichtungen,Universitäten, Kindergärten etc., |
| 354 | |
| 355 | - Nutzung von e-learning-Angeboten, |
| 356 | |
| 357 | - Verfügbarkeit von mehr frei zugänglicher Infrastruktur für |
| 358 | alle Generationen, die |
| 359 | auch Beratung und Betreuung beinhaltet (insbesondere im |
| 360 | Beruf), |
| 361 | |
| 362 | - (Aus-, Weiter-)Bildung der Erklärenden/Lehrenden, |
| 363 | |
| 364 | - Harmonisierung der Lehrpläne und des Anforderungskatalogs |
| 365 | zwischen den |
| 366 | zuständigen Ländern, Kultusbehörden und |
| 367 | Wissenschaftsministerien, |
| 368 | |
| 369 | - spezielle Förderung von Zielgruppen (Frauen, Senioren, |
| 370 | Menschen mit |
| 371 | Migrationshintergrund,Menschen mit körperlichen und |
| 372 | geistigen Beeinträchtigungen, Kinder und Jugendliche aus |
| 373 | bildungsfernen Familien) durch öffentliche und private |
| 374 | Bildungsträger, |
| 375 | |
| 376 | - Lösung für das akute Problem bis die Aus- und |
| 377 | Weiterbildungsmaßnahmen bei Lehrern, Erziehern und |
| 378 | Sozialarbeitern greifen -> peer-to-peer Konzepte umsetzen. |
Der Text verglichen mit der Originalversion
| 1 | (Einfügen von Unterüberschriften bis 16. März 2011 durch |
| 2 | PG-Mitglieder.) |
| 3 | |
| 4 | Risiken im Umgang mit interaktiven Medien gibt es in |
| 5 | zweierlei Hinsicht: Zum einen werden Benutzerinnen und |
| 6 | Benutzer von externen Quellen mit Risiken, kriminellen |
| 7 | Handlungen oder Störfaktoren konfrontiert. Zum anderen |
| 8 | können aber auch fehlende eigene Kompetenzen und Fähigkeiten |
| 9 | Negatives für die persönliche Entwicklung oder im Umgang mit |
| 10 | anderen hervorrufen. Folgen können in beiden Bereichen |
| 11 | sozialer, persönlicher, rechtlicher, finanzieller oder |
| 12 | technischer Art und Weise sein. |
| 13 | |
| 14 | Wichtig ist die Feststellung, dass problematische Inhalte |
| 15 | oder illegale/kriminelle Handlungen in bzw. durch die |
| 16 | interaktiven Medien nicht durch das Medium selbst erschaffen |
| 17 | werden, sondern in jedem Fall Konsequenz und Folge aus |
| 18 | menschlichem Handeln sind. |
| 19 | |
| 20 | Exemplarisch seien an dieser Stelle für beide Bereiche |
| 21 | einige mögliche Formen von Risiken genannt: |
| 22 | |
| 23 | Im Bereich der Risiken interaktiver Medien sind Schlagwörter |
| 24 | wie Cyber-Mobbing, Grooming oder Gefahren durch die |
| 25 | Preisgabe von persönlichen Daten in der aktuellen Debatte |
| 26 | vor allem im Hinblick auf Kinder und Jugendliche in aller |
| 27 | Munde. Sowie bei den meisten der im Folgenden zu benennenden |
| 28 | Risiken ist Mobbing kein grundsätzlich neues Phänomen der |
| 29 | digitalen Gesellschaft, sondern findet im Internet – ähnlich |
| 30 | wie via Mobiltelefon – lediglich eine neue Art der |
| 31 | Ausbreitung. |
| 32 | |
| 33 | Vor allem in Sozialen Netzwerken oder Foren leiden |
| 34 | Betroffene unter Umständen unter übler Nachrede, |
| 35 | Diffamierung, Belästigung oder Nötigung durch |
| 36 | Mitschülerinnen und Mitschüler oder Bekannte – die sich |
| 37 | durch die Benutzung von falschen Namen oder Avataren nicht |
| 38 | zu erkennen geben müssen. Im Falle von Grooming handelt es |
| 39 | sich um die gezielte sexuelle Belästigung von Kindern und |
| 40 | Jugendlichen via Internet. Nach aktuellen Studien [u.a. |
| 41 | Bitkom-Studie; in KIM 2010; EU-Kids Online] kommt dies in |
| 42 | der Praxis allerdings eher selten vor und steht in keinem |
| 43 | Verhältnis zu der öffentlichen Wahrnehmung dieses Themas. |
| 44 | |
| 45 | Sexuelle Belästigung geht oft auch von gleichaltrigen |
| 46 | Jugendlichen aus. Neben der persönlichen Wachsamkeit und |
| 47 | einem gesunden Misstrauen Unbekannten gegenüber, kann auch |
| 48 | der sparsame Umgang mit persönlichen Informationen solchen |
| 49 | Belästigungen vorbeugen. Grundsätzlich scheint es ratsam, |
| 50 | sparsam mit der Preisgabe von eigenen Daten umzugehen und |
| 51 | vor jeder Veröffentlichung von privaten Informationen den |
| 52 | daraus entstehenden Nutzen und die möglichen Konsequenzen |
| 53 | abzuwägen. Auch wenn der Wert und die Notwendigkeit von |
| 54 | Privatsphäre aktuell an Bedeutung zu verlieren scheinen, |
| 55 | wäre trotzdem ein bewussterer Umgang damit wünschenswert. |
| 56 | |
| 57 | Ähnlich wie in anderen Medien kann es auch im Internet |
| 58 | vorkommen, dass Kinder und Jugendliche ungewollt mit nicht |
| 59 | altersgerechten Inhalten konfrontiert werden, u.a. mit |
| 60 | Darstellungen von Gewalt, Krieg oder Pornographie. |
| 61 | |
| 62 | Unter wirtschaftlichem Aspekt sind Abo- und Kostenfallen zu |
| 63 | nennen, denen nicht nur Kinder und Jugendliche zum Opfer |
| 64 | fallen, sondern alle Altersgruppen. Auch werden immer wieder |
| 65 | Fälle bekannt, in denen Kinder und Jugendliche unbewusst |
| 66 | Anbieter von urheberrechtlich geschützten Werken in |
| 67 | Tauschbörsen werden. |
| 68 | |
| 69 | Konkret beschreibbar sind die Gefahren, die durch |
| 70 | Computerviren und -würmer sowie Trojaner ausgelöst werden. |
| 71 | Allen gemeinsam ist, dass ein Angreifer versucht, in die |
| 72 | Computer seiner Opfer eine Software einzuschleusen. |
| 73 | Computerviren und -würmer versuchen, sich über die |
| 74 | kompromittierten Computer selbst weiter zu verbreiten. Viren |
| 75 | verändern dabei in der Regel fremde Dateien (Startprogramme, |
| 76 | Bootsektoren usw.), während Würmer normalerweise keine |
| 77 | fremden Dateien manipulieren. Trojanische Pferde, kurz |
| 78 | Trojaner, sind Computerprogramme, die sich als mehr oder |
| 79 | minder nützliche Anwendung tarnen, im Hintergrund und ohne |
| 80 | Wissen des Anwenders aber andere Funktionen erfüllen. |
| 81 | |
| 82 | Heutzutage ist der Hauptzweck von Viren, Würmern und |
| 83 | Trojanern vor allem der Aufbau so genannter Botnetze. Dabei |
| 84 | stellen oftmals tausende bis Millionen Rechner im Internet |
| 85 | ihre Kapazitäten (Rechenleistung, Netzwerkanbindung usw.) |
| 86 | dem kontrollierenden Angreifer zur Verfügung. |
| 87 | Sicherheitsdienstleister schätzen, dass einige Botnetze bis |
| 88 | zu 30 Millionen Rechner kontrollieren. |
| 89 | [http://de.wikipedia.org/wiki/Botnet] Sie werden meistens |
| 90 | zum Versenden von Spam-Mails, für Angriffe auf Server oder |
| 91 | zum Knacken von Passwörtern genutzt. Der Inhaber des |
| 92 | betroffenen Computers bemerkt die Infizierung meistens |
| 93 | nicht, versendet sie aber. |
| 94 | |
| 95 | So genannte Spyware ist eine Software, die zum Ziel hat, den |
| 96 | Nutzer auszuspionieren, seine Angewohnheiten auszuforschen |
| 97 | und ihm so gezielt Werbung und ähnliches zu präsentieren. |
| 98 | Häufiger anzutreffen ist heutzutage „Scareware“. Darunter |
| 99 | versteht man Software, die dem Benutzer verunsichern und |
| 100 | ängstigen soll, ihn beispielsweise vor einer erfundenen |
| 101 | Infizierung seines Computers mit einem Virus warnt und gegen |
| 102 | Bezahlung eine Entfernung des vermeintlichen Schädlings |
| 103 | anbietet. Hier wird also vor allem der Nutzer selbst |
| 104 | geschädigt, während bei Viren, Würmern und Trojanern vor |
| 105 | allem andere geschädigt werden. |
| 106 | |
| 107 | Die meisten der Infizierungen ließen sich durch eine höhere |
| 108 | Medienkompetenz der Nutzer verhindern oder zumindest |
| 109 | nachträglich aufspüren. Dazu gehört nicht nur eine sichere |
| 110 | Konfiguration der Computer, sondern auch ein bewusstes |
| 111 | Umgehen mit Gefahren und das rechtzeitige Schließen von |
| 112 | Sicherheitslücken. |
| 113 | |
| 114 | Eine verwandte Gefahr ist das so genannte Phishing (von |
| 115 | Password Fishing), also das Angeln nach Passwörtern mit |
| 116 | Ködern. Dabei versuchen Angreifer, von Anwendern Passwörter, |
| 117 | Kreditkartennummern oder PINs und TANs für das Homebanking |
| 118 | zu ergaunern. Dazu werden beispielsweise Webseiten von |
| 119 | Banken weitgehend originalgetreu nachgebildet und der Nutzer |
| 120 | aufgefordert, PIN und TAN einzugeben. Stattdessen nutzt der |
| 121 | Betrüger die erbeuteten Daten, um selbst Überweisungen zu |
| 122 | tätigen und das Opfer zu betrügen. In der Zwischenzeit |
| 123 | laufen entsprechende Angriffe oft auch mit Unterstützung von |
| 124 | Trojanern ab, so dass entsprechende Daten bei der Eingabe |
| 125 | auf infizierten Computern abgefangen werden. |
| 126 | |
| 127 | Auch hier lässt sich die Gefahr durch Medienkompetenz |
| 128 | weitgehend eindämmen:Medienkompetente Nutzer erkennen |
| 129 | Phishing-Mails, in denen sie zur Eingabe ihres Passwortes |
| 130 | oder von PIN/TAN vom Online-Banking aufgerufen werden. |
| 131 | Medienkompetente Nutzer erkennen auch, wenn eine fremde |
| 132 | Webseite sich als Webseite einer Bank oder als betrügerische |
| 133 | Abzockwebsite ausgibt. |
| 134 | |
| 135 | Auswirkungen fehlender Medienkompetenz |
| 136 | |
| 137 | |
| 138 | Risiken werden aber nicht nur extern an die Nutzerinnen und |
| 139 | Nutzer herangetragen, auch deren eigener Umgang mit dem |
| 140 | Internet bzw. dessen Inhalten kann problematische |
| 141 | Auswirkungen haben: |
| 142 | |
| 143 | Fehlende Medienkompetenz tritt in vielen Bereichen zu Tage, |
| 144 | u.a. in der mangelhaften und unkritischen Bewertung von |
| 145 | Medieninhalten. Problematisch scheint zudem vor allem bei |
| 146 | Kindern zu sein, dass diese oftmals nicht zwischen |
| 147 | eingeblendeter Werbung und redaktionellen Inhalten |
| 148 | unterscheiden können. Die pure Menge an abrufbaren |
| 149 | Informationen führt nicht automatisch dazu, dass jeder in |
| 150 | der Lage ist, sich ein umfassendes Meinungsbild zu machen. |
| 151 | Es kann vielmehr dazu führen, dass es zu einer Überforderung |
| 152 | aufgrund der Fülle an Informationen und Kommunikationswegen |
| 153 | und damit zu einer reduzierten und einseitigen |
| 154 | Informationsaufnahme kommen kann. |
| 155 | |
| 156 | Unkritisch ist bisweilen auch der Umgang mit den Rechten |
| 157 | anderer: So führen fehlendes Wissen und fehlende Kompetenz |
| 158 | immer wieder zu Verstößen gegen das Urheberrecht, den |
| 159 | Datenschutz oder die Persönlichkeitsrechte anderer. Gerade |
| 160 | in Bezug auf die Verletzung von Persönlichkeitsrechten geht |
| 161 | mangelnde Medienkompetenz immer auch einher mit mangelnder |
| 162 | sozialer Kompetenz. |
| 163 | |
| 164 | Ein weiterer kritischer Aspekt ist die Dauer der |
| 165 | Mediennutzung. Fehlende Medienkompetenz kann hierbei den |
| 166 | Verlust des Bezuges zur „realen“ Welt und das sich |
| 167 | vorwiegend in der virtuellen Umgebung Bewegen durchaus |
| 168 | verstärken. Neben dem möglichen Verlust von sozialen |
| 169 | Kontakten und Bindungen - mit all den Facetten |
| 170 | zwischenmenschlicher Kontakte (Mimik, Gestik, körperliche |
| 171 | Erfahrungen) - kann exzessive Mediennutzung auch zu |
| 172 | physischen sowie psychischen Einschränkungen führen. |
| 173 | |
| 174 | Fehlende Medienkompetenz kann sich aber auch ganz konkret |
| 175 | auf gesellschaftliche Teilhabe, Bildung und sozialen |
| 176 | Aufstieg auswirken. So bietet das Internet in vielfacher |
| 177 | Weise die Möglichkeit, gesellschaftliche Debatten zu |
| 178 | verfolgen und sich selbst einzubringen. Des Weiteren ist |
| 179 | Medienkompetenz mittlerweile eine unverzichtbare Fähigkeit, |
| 180 | die für den Erfolg in Schule, Ausbildung und Beruf wichtig |
| 181 | ist. |
| 182 | |
| 183 | Medienkompetenz kann viele dieser Risiken minimieren, |
| 184 | teilweise sogar vollständig vermeiden. Insofern wird es ein |
| 185 | zentrales Anliegen der Kommission sein, Ideen zu entwickeln, |
| 186 | um die Vermittlung von Medienkompetenz an alle |
| 187 | gesellschaftlichen |
| 188 | |
| 189 | Zielgruppen zu optimieren. Es zeigt sich aber auch, dass |
| 190 | angesichts der erwähnten Risiken Medienkompetenz nicht alle |
| 191 | Probleme lösen kann und es einer engen Verzahnung mit dem |
| 192 | Jugend- und dem Verbraucherschutz bedarf. |
| 193 | |
| 194 | Medienkompetenz schafft digitale Selbständigkeit. Diese ist |
| 195 | in einer modernen Wissens- und Informationsgesellschaft für |
| 196 | demokratische Teilhabe, wirtschaftliche Chancengerechtigkeit |
| 197 | und freie Entfaltung der Persönlichkeit von grundlegender |
| 198 | Notwendigkeit. Fehlt diese, wird es dem Individuum nicht |
| 199 | gelingen, Medien und deren Inhalte den eigenen Bedürfnissen |
| 200 | und Zielen entsprechend zu nutzen. |
| 201 | |
| 202 | 1.3.1 Mediensucht und Prävention |
| 203 | |
| 204 | |
| 205 | (Ergänzung des folgenden Abschnitts um die Ergebnisse einer |
| 206 | aktuellen Studie des Hans-Bredow-Institutes bis 16. März |
| 207 | 2011 durch PG-Mitglieder.) |
| 208 | |
| 209 | Dass interaktive Medien den Menschen so viele Chancen und so |
| 210 | viel Abwechslung bieten, bleibt nicht ohne Risiken – |
| 211 | beispielsweise dann, wenn Medien zum Suchtmittel werden. So |
| 212 | gelten laut einer Studie der Medizinischen Hochschule |
| 213 | Hannover von 2006 etwa sechs Prozent aller deutschen |
| 214 | Internetnutzer als onlinesüchtig und noch einmal so viele |
| 215 | als stark suchtgefährdet. [1] |
| 216 | |
| 217 | Auch internationale Untersuchungen zeigen, dass die |
| 218 | Prävalenzrate, also der Anteil jener, die einem |
| 219 | Suchtverhalten zuzuordnen sind, zwischen einem und maximal |
| 220 | fünf Prozent liegt. Je nach Studie verbringen die als |
| 221 | abhängig beschriebenen Personen bis zu 40 Stunden je Woche |
| 222 | im Internet. Nichtsüchtige kommen wöchentlich auf maximal 20 |
| 223 | Stunden. [2] |
| 224 | |
| 225 | Die Auslöser, Mechanismen und Symptome der Mediensucht |
| 226 | gleichen denen anderer nicht stoffgebundener |
| 227 | Suchterkrankungen: Durch den Konsum bestimmter |
| 228 | Medienangebote wird das körpereigene Belohnungssystem in |
| 229 | Gang gesetzt. Der damit einhergehende Dopaminausstoß führt |
| 230 | zu einem gefühlten Erfolgserlebnis, auf das manche nicht |
| 231 | mehr verzichten können. Zu den typischen |
| 232 | Abhängigkeitssymptomen zählen ein unkontrollierter, |
| 233 | stundenlanger Konsum, die stetige Erhöhung der „Dosis“, eine |
| 234 | ständige gedankliche Beschäftigung mit dem Suchtverhalten, |
| 235 | misslingende Reduzierungsversuche sowie Entzugserscheinungen |
| 236 | beispielsweise in Form von Aggressivität, wenn das |
| 237 | Suchtmittel nicht zur Verfügung steht. |
| 238 | |
| 239 | Die negativen Folgen der Mediensucht sind – wie bei anderen |
| 240 | Abhängigkeitserkrankungen auch – nicht nur psychischer |
| 241 | Natur, sondern erstrecken sich ebenso auf die körperliche |
| 242 | Gesundheit und das soziale Umfeld der Betroffenen. Es kommt |
| 243 | oftmals zu einer Vernachlässigung der eigenen Bedürfnisse, |
| 244 | der beruflichen bzw. schulischen Verpflichtungen und |
| 245 | sozialen Kontakte. Die Betroffenen verheimlichen oder |
| 246 | bagatellisieren das eigene Suchtverhalten. Mitunter geraten |
| 247 | sie sogar in finanzielle Verschuldung. |
| 248 | |
| 249 | In der Gesellschaft und der Wissenschaft wird |
| 250 | Medienabhängigkeit bislang nur unzureichend thematisiert. |
| 251 | Sie ist selten Gegenstand empirischer Forschung. Es fehlt |
| 252 | nach wie vor an belastbarem Datenmaterial. Eine für das |
| 253 | Bundesministerium für Gesundheit im Zeitraum von 2008 bis |
| 254 | 2010 angefertigte Untersuchung stellt dazu fest: Es wäre |
| 255 | „insbesondere eine interdisziplinäre Längsschnittstudie |
| 256 | wünschenswert, die mit neurobiologischen, genetischen und |
| 257 | entwicklungspsychiatrischen Methoden Kinder vor Beginn des |
| 258 | pathologischen Internetgebrauchs bis in das Erwachsenenalter |
| 259 | hinein untersuchen würde.“ [3] |
| 260 | |
| 261 | Weiterer Handlungsbedarf besteht in der Hinsicht, dass |
| 262 | Medienabhängigkeit bisher nicht als eigenständige Suchtform |
| 263 | anerkannt ist. Die Kommission betrachtet Medienabhängigkeit |
| 264 | als eine eigenständige, nicht stoffgebundene Suchtform und |
| 265 | hält eine Anerkennung als Erkrankung nach dem |
| 266 | Diagnoseschlüssel ICD der Weltgesundheitsorganisation für |
| 267 | geboten. Darüber hinaus sieht die Kommission die |
| 268 | Notwendigkeit einer umfassenden Erforschung des |
| 269 | Krankheitsbildes. |
| 270 | |
| 271 | In der Bundesrepublik gibt es derzeit nur ein sehr |
| 272 | begrenztes Angebot an Beratungs- und Therapiemöglichkeiten |
| 273 | für Betroffene. Die erfolgversprechendste |
| 274 | Präventionsmaßnahme hingegen ist, Kinder und Jugendliche in |
| 275 | ihrem Umgang mit Medien zu begleiten. Hier sind in erster |
| 276 | Linie die Familien gefragt. Wenn vor allem Eltern jedoch |
| 277 | keine oder nur begrenzte medienpädagogische Fähigkeiten |
| 278 | aufweisen, müssen sie auf geeignete Beratungsmöglichkeiten |
| 279 | zurückgreifen können. Zusätzlich muss gewährleistet sein, |
| 280 | dass in Schule, Ausbildung und Freizeit ausreichend |
| 281 | qualifizierte medienpädagogische Angebote zur Verfügung |
| 282 | stehen. |
| 283 | |
| 284 | [1] vgl.: Bert te Wildt 2006, Medizinische Hochschule |
| 285 | Hannover – Bitte Quellenangabe durch |
| 286 | das Büro MdB Tabea Rößner. |
| 287 | |
| 288 | [2] Bitte Quellenangabe durch das Büro MdB Dr. Petra Sitte. |
| 289 | |
| 290 | [3] Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf/Deutsches Zentrum |
| 291 | für Suchtfragen des |
| 292 | Kindes- und Jugendalters: Studie für das BMG zum Projekt |
| 293 | Beratungs- und |
| 294 | Behandlungsangebote zum pathologischen Internetgebrauch in |
| 295 | Deutschland, S. 5. |
| 296 | |
| 297 | 1.3.2 Strukturelle Defizite |
| 298 | |
| 299 | |
| 300 | Die Studie der Initiative D21 „Digitale Gesellschaft" aus |
| 301 | dem Jahr 2010 [4]zeigt deutlich, dass die digitale Spaltung |
| 302 | der Gesellschaft eher qualitativ als quantitativ zunimmt. |
| 303 | Der Anteil internetferner Menschen wird zwar kleiner, |
| 304 | gleichzeitig werden aber auch die Kompetenzen dieser |
| 305 | digitalen Außenseiter geringer. Vor allem aber zeigt die |
| 306 | Studie, dass die digitale Spaltung eine soziale Spaltung |
| 307 | ist: die Außenseiter finden sich vorwiegend in armen |
| 308 | Haushalten. Eine Förderung von Medienkompetenz muss deshalb |
| 309 | einhergehen mit der Förderung einer flächendeckenden |
| 310 | Internetanbindung ohne Ansehen der wirtschaftlichen |
| 311 | Situation der Nutzer. Dies gilt für Netze wie für netzfähige |
| 312 | Geräte gleichermaßen. |
| 313 | |
| 314 | Der Sachverständige Hannes Schwaderer betonte in der |
| 315 | Expertenanhörung der Enquete-Kommission zur Medienkompetenz |
| 316 | am 13. Dezember 2010, dass Bildungschancen nicht vom |
| 317 | sozialen Milieu oder der Familiensituation abhängig sein |
| 318 | dürfen. Da Intelligenz über alle soziale Schichten |
| 319 | gleichermaßen verteilt sei, gelte es daher besonders, die |
| 320 | Bedürfnisse von Kindern sozial schwächerer Herkunft zu |
| 321 | beleuchten. Ein Zugang zu digitalen Lernwerkzeugen müsse |
| 322 | über die Schule erfolgen und dürfe nicht nur der häuslichen |
| 323 | Ausstattung obliegen. |
| 324 | |
| 325 | Es gibt darüber hinaus auch Positionen, die die Gründe für |
| 326 | die digitale Spaltung weniger in den Zugangsmöglichkeiten |
| 327 | zum Internet bzw. der Infrastruktur sehen, dafür aber |
| 328 | verstärkt in der Art und Weise der Nutzung. Hier zeigen sich |
| 329 | Unterschiede vor allem regional, geschlechtsspezifisch, |
| 330 | altersbedingt, ökonomisch und bildungsgradabhängig. So sind |
| 331 | bildungsferne Nutzer beispielsweise eher konsumorientiert. |
| 332 | Sie nutzen die Chancen und Potentiale der Teilhabe und der |
| 333 | Information kaum. |
| 334 | |
| 335 | Weitgehende Einigkeit indes besteht darüber, das Radio und |
| 336 | Fernsehen kein Ersatz für einen |
| 337 | Internetzugang sind. Nicht nur fehlen den traditionellen |
| 338 | Medien die partizipativen Möglichkeiten von |
| 339 | Online-Angeboten. Auch im Bereich der |
| 340 | Informationsbereitstellung ist das Internet unverzichtbar |
| 341 | geworden. Dies zeigt sich nicht zuletzt auch an der |
| 342 | sinkenden Zahl von Wortbeiträgen im Radioprogramm oder durch |
| 343 | den Verweis auf zusätzliche Informationen im Internet |
| 344 | während der Fernsehnachrichten. |
| 345 | |
| 346 | [4] Quellenangabe/Studie (offen) |
| 347 | |
| 348 | Die Kommission wird zu klären versuchen, auf welche Weise |
| 349 | die bestehende digitale Spaltung am ehesten zu überwinden |
| 350 | ist. Folgende Punkte werden als mögliche Ansätze betrachtet: |
| 351 | |
| 352 | - bessere Geräteausstattung an Schulen, Ausbildungs- und |
| 353 | Jugendeinrichtungen,Universitäten, Kindergärten etc., |
| 354 | |
| 355 | - Nutzung von e-learning-Angeboten, |
| 356 | |
| 357 | - Verfügbarkeit von mehr frei zugänglicher Infrastruktur für |
| 358 | alle Generationen, die |
| 359 | auch Beratung und Betreuung beinhaltet (insbesondere im |
| 360 | Beruf), |
| 361 | |
| 362 | - (Aus-, Weiter-)Bildung der Erklärenden/Lehrenden, |
| 363 | |
| 364 | - Harmonisierung der Lehrpläne und des Anforderungskatalogs |
| 365 | zwischen den |
| 366 | zuständigen Ländern, Kultusbehörden und |
| 367 | Wissenschaftsministerien, |
| 368 | |
| 369 | - spezielle Förderung von Zielgruppen (Frauen, Senioren, |
| 370 | Menschen mit |
| 371 | Migrationshintergrund,Menschen mit körperlichen und |
| 372 | geistigen Beeinträchtigungen, Kinder und Jugendliche aus |
| 373 | bildungsfernen Familien) durch öffentliche und private |
| 374 | Bildungsträger, |
| 375 | |
| 376 | - Lösung für das akute Problem bis die Aus- und |
| 377 | Weiterbildungsmaßnahmen bei Lehrern, Erziehern und |
| 378 | Sozialarbeitern greifen -> peer-to-peer Konzepte umsetzen. |
-
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